Wie tief ist eigentlich die Grenze – Bericht einer Fastnotlandung

Es ist kurz nach halb elf und ich stehe als nächster am F-Schlepp Start der 10. Vor mir sind schon ca. 7 Flugzeuge gestartet und hinter mir stehen etwa noch mal so viele. Auf meine Frage im Funk hin hat mir ein schon gestarteter Pilot gerade gesagt, dass es am Blomberg und an der Benediktenwand noch nicht entwickelt. Ich versuche den Start deshalb noch etwas zu verzögern, überlege sogar kurz rauszuschieben, da ich relativ viel Wasser getankt habe. Starte dann aber doch und lasse mich zur Benewand schleppen. Dort angekommen kommt mir schon relativ tief ein vor mir gestarteter Discus entgegen, in der Jachenau kreisen vier weitere Flugzeuge sehr niedrig.

An der Benediktenwand finde ich kein Steigen, also entscheide ich mich direkt zum Vorderiss zu gleiten, wo ich in 1500 Meter ankomme. Leider steht dort auch noch kein Bart, aber am Sojerngrat entwickelt sich gerade eine Quellung und in der Regel schafft man es durch Achteln über Grathöhe, wenn man knapp unterhalb des Grates ankommt. Im Endanflugrechner checke ich die Höhe auf Fall. Am Sojern angekommen, bin ich extrem weit unter Grat in ca. 1300 Meter, was natürlich viel zu tief ist, um vernünftig Anschluss zu finden, der Hang trägt nur. Ich fliege also Richtung Fall, dabei fällt die anfängliche Ankunftshöhe immer weiter ab und unterschreitet schließlich die 100 Meter. Dann 4 km vor Fall finde ich den rettenden Bart.

Zu spät wird mir die Brisanz der Situation wirklich klar. Der Endanflugrechner rechnete mit einer für das Flugzeug optimalen Gleitzahl von 42, welche in der Praxis bei thermisch aktiver Luft völlig unrealistisch zu erreichen ist, erst recht bei 15 Meter Spannweite.

Die Wiese Fall hat eine Höhe von 788 Meter MSL. Überhalb der alten, jetzt unbenutzbaren Vorderrisswiese, hatte ich noch 1088 Meter und 8,3 km bis Fall zurück zu legen, angenommen ein direkter Anflug wäre möglich gewesen, was bei diesen Höhen sehr fraglich ist. Das entspricht also 300 Meter abfliegbare Höhe für die genannte Gleitstrecke, also einer benötigten Gleitzahl von knapp 28 auf einen Null-Endanflug und schon einer benötigten Gleitzahl von 41 auf einen 100m-Endanflug. Kurz bevor der rettende Bart kam hatte ich noch 3,85 km zurück zu legen und dafür 159 Meter übrig, was einer Gleitzahl von 24 auf einen Null- und einer von 65 für den 100m-Endanflug entspricht. Im besten Fall wäre man also so gerade noch auf Fall reingekommen, im schlechteren im Sylvensteinsee gewassert. So oder so absolut indiskutabel, da dass Ziel ja immer die 150-200m Platzrundenhöhe sein sollten.

Mit dem Vorfliegen zum Sojern in so einer niedrigen Höhe begibt man sich in die Alternativlosigkeit. Das gesamte Gebiet ist komplett unlandbar, Fall die einzige Möglichkeit. Die Mindestankunftshöhe am Sojern sollte immer um die 1700 Meter betragen. Außerdem hilft es sich die benötigte Gleitzahl (required L/D) zusätzlich auf seinem Navigationsgerät anzeigen zu lassen, da dieser Wert aussagekräftiger und eindeutiger als jede Ankunftshöhe und z. B. auch nicht fehleranfällig für eine etwaige falsche Polarenauswahl ist.

Happy Landings

Foto_1 Foto_2 Foto_3 Foto_4

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

7 Antworten zu Wie tief ist eigentlich die Grenze – Bericht einer Fastnotlandung

  1. sgi sagt:

    Alte Regel der französischen Gebirgsfluglehrer: “Egal in welchem Flugzeug Du sitzt, wird mit 1:20 auf die Außenlandefelder gerechnet!” Entfernung halbieren und dann das Komma eine Stelle nach links verschieben.

    Edit: Als die Höhe des Landesfeldes etwas anderes als die Positionshöhe zu verwenden, kommt den französischen Fluglehrern, wie auch mir überhaupt nicht in den Sinn. Ist da unterschwellig in den letzten Jahren, unter Umständen bedingt durch die Assistenzsysteme und die Darstellung der benötigten Gleitzahl und nicht mehr der Höhe über Gleitpfad, eine Paradigmenwechsel erfolgt.

  2. sgi sagt:

    auch diese Regel ist so leider nicht ganz richtig, um nicht zu sagen sehr gefährlich, denn richtigerweise muss man den Endanflug immer auf die Platzrundenhöhe des AL Feldes rechnen und nicht auf die Höhe des Feldes, denn 1:20 auf ein AL Feld bedeutet ja z.B. dass man in 4km Entfernung zum AL Feld in 200m sicher wäre, das aber war ziemlich genau die Höhe, die der oben beschrieben Flug hatte (3,8km in 159m)…

  3. sgi sagt:

    Wir wollten doch mal eine Oudie-Einweisung in KDF organisieren und bei dieser Gelegenheit könnten wir auch diese Themen mal gemeinsam ansprechen. Bei mir ist derzeit im Oudie Gleitzahl auf Platz/AL-Feld eingestellt, bisher ohne Sicherheitshöhe. Generell fliege ich aber aus Erfahrung allerspätestens in Grathöhe am Sojern ab. Besser noch in 1800, um in die Jachenau gleiten zu können oder es geht über die Sojern-Spitze in Richtung Krün.

  4. sgi sagt:

    An welcher Stelle (falls überhaupt) hast Du das Wasser geworfen?

  5. sgi sagt:

    Wir haben eine Liste der typischen Einstieg sehr gut aufbereitet auf unserer Homepage, lest Euch das mal genau durch:
    http://www.segelfluggruppe-isartal.de/luftsport/alpenflug-seminar/
    Schaut Euch auch mal genau die Beispielflüge an:
    http://www.segelfluggruppe-isartal.de/luftsport/alpenflug-seminar/beispielfluge-gebiete/

Schreibe einen Kommentar